Lebens-Lauf(en) – Walk of Life

Ich liebe es, zu laufen – also nicht Laufen im Sinne von Joggen, sondern Laufen im Sinne von Nicht-Fahren.

Schon als ich etwa 3 Jahre alt war, bin ich mit Papa in den Nachbarort gelaufen, um dort meine Großeltern zu besuchen. Für die etwa 5 Kilometer haben wir meistens über 3 Stunden gebraucht, denn wenn ich nicht auf Papas Schultern saß, sondern selber gelaufen bin, musste ich an jedem Blümchen auf dem Weg schnuppern und jedes Käferchen bewundern. Das tue ich heute noch, aber im Gegensatz zu Papa damals sind meine Begleiter heute meist genervt von dieser Leidenschaft (dabei ist es egal, ob du jetzt an meine Hunde oder meinen Mann denkst 😉 ). In den über 50 Jahren meines Lebens habe ich auf all unseren Wegen immer wieder Neues von Papa gelernt und viel über das Leben und die Welt erfahren.

Als ich älter wurde, bin ich oft mit Papa, Bruder und Opa zu unserem Wochenendhaus gelaufen. Mama hatte die Omas und die Verpflegung im Auto. Oder wir gingen Pilze sammeln. Selbst zur Discozeit bin ich gelaufen – so konnte ich mir ein Bierchen trinken – und Papa hat mich zu einer abgesprochenen Zeit zu Fuß wieder abgeholt. Wir beide haben während unserer gemeinsamen Läufe die großen und kleinen Probleme der Welt diskutiert. Natürlich auch die aus unserer eigenen kleinen Welt.

Später habe ich in einem Nachbardorf gewohnt, das etwa 7 km Luftlinie von meinem Elternhaus entfernt war und durch den Wald über einen Hügel am Wochenendhaus vorbei einen etwa 2stündigen Spaziergang mit Hund bedeutete. Jedes Jahr am 1. Januar bin ich für viele Jahre gelaufen, habe mich mit Papa am Häuschen zur wärmenden Schnäpschenpause getroffen, um dann zum Neujahrsessen beim Rest der Familie einzutreffen. Wenn es mal ein paar mehr Schnäpschen waren, hat uns Mama dann besser nach Hause gefahren, aber meistens haben wir am Nachmittag die Stiefel geschnürt und sind zu Fuß wieder über den Hügel gegangen.

Auch in den Familienurlauben wurde viel auf den Füßen unternommen. Egal, ob Wanderungen an der Nordsee im Watt oder in den Alpen. Wanderschuhe waren immer dabei.

Seit ein paar Jahren war es Papa, der langsam aber stetig an Geschwindigkeit verlor beim Laufen. Irgendwann wurde ich ihm – obwohl ich schon langsamer lief – zu schnell. So wurde aus dem Laufen eher ein Schlendern. Spaziergänge, besonders mit dem Dreamteam, wurden für Papa immer seltener. Wir haben unsere Welt-Geschichten-Diskussionen nun nicht mehr im Laufen, sondern meist im Sitzen abgehalten.

Unzählige Wege sind wir gemeinsam gegangen. Am vergangenen Mittwoch Abend, genau zu der Zeit, als ich den Text für den letzten Beitrag hier zusammengestellt habe, ist Papa alleine gegangen. Einen Weg, den ich nicht mitgehen konnte. Und die vergangene Woche war eine der schwersten meines Lebens. Mama ist nach knapp 55 Jahren glücklicher und bis zum Ende verliebter Ehe ohne ihren Mann und mein Bruder und ich sind ohne Papa, die nächste Generation ohne Opa. Und doch geht Papa wieder mit mir laufen. Ohne Einschränkungen, so, wie er es als junger Papa konnte. Er kann wieder mithalten, denn in meinem Herzen kann er mich sogar überholen oder auf die Schultern nehmen oder sich mit mir an die Wiese setzen und an den Blumen schnuppern. Ich weiß, dass er zu einem wunderbaren Ort gelaufen ist, wo wir uns eines Tages wieder zu einem Päuschen treffen werden und vielleicht wieder über die Welt diskutieren oder einfach gemeinsam die Schönheit des Himmels genießen. Denn wirklich alleine ist er nicht gegangen.

Papa, ich liebe dich und ich vermisse dich!

I love walking – not walking as in jogging, but walking as in not-driving.

Even when I was only about 3 years old I walked with Dad to the next town to visit my grandparents. For the approximately 3 miles we most of the time needed more than 3 hours, because if Dad didn‘t carry me piggyback and I walked by myself, I had to sniff at every little flower on the way and adore every little bug. I still do that today, but contrary to Dad then, this passion irritates my companions today (and it doesn‘t matter if you have my dogs or my hubby on your mind now 😉 ). In the more than 50 years of my life on all our paths I could learn something new from Dad and hear about the world.

When I grew older, I walked with Dad, brother and Grandpa to our weekend home. Mum had the grandmothers and the provisions in the car. Or we went to collect mushrooms. Even in my disco time I walked – that way I could have a beer – and Dad came to pick me up at an agreed time. During our walks together we discussed the big and the small problems of the world. Of course the ones of our own little world, too.

Later I lived in a little town about 5 miles beeline from my parents‘ home. That meant a 2 hour walk with the dog through the forest, over a hill, passing by the weekend home. For many years on January 1st I walked that way, met Dad at our little house to have a warming schnapps, and then we walked to join the rest of the family for New Year‘s lunch. If we had a bit too much of the warming schnapps, Mum better gave us a ride home, but most of the time we put on our boots in the afternoon and walked back home over the hill.

On family vacations we also spent a lot of our time on our feet. No matter if we walked across the mudflats at the North Sea of if we were in the Alpes. Walking boots were always in the suitcases.

A few years ago it was Dad who slowly but steadily lost speed walking. I was – even though I slowed down my pace – to fast for Dad. So our walk became more of a stroll. Walks, especially with the dreamteam, became rarer and rarer. We held our world-history-discussions no longer walking but most of the time sitting.

Countless ways we walked together. This past Monday night, right at that time when I put together the text for last week‘s post, Dad went alone. A path I could not go with him. And this past week was one of the hardest in my life. Mum is – after almost 55 years of a happy and loving marriage – without her husband and my brother and I are without Dad, the next generation without Grandpa. And yet Dad goes walking with me again. Without impairments, just like he did as a young dad. He can keep pace with me because in my heart he can even pass me or carry me piggyback or sit down at the pasture to sniff the flowers. I know that he walked to a beautiful place where we one day will meet again to take a little break together and maybe discuss the world again. Or simply enjoy the beauty of heaven together. Because he not really went alone.

Dad, I love you and I miss you!